Schlechte Führung demotiviert Teams und vergiftet Unternehmen.
Trotzdem unternehmen viele Arbeitgeber so gut wie nichts gegenüber destruktiven Führungskräften.
Ein Fehler, der viel Geld kostet.
Mitarbeiter binden - wo steht Deutschland
Der Gallup Engagement Index ist Deutschlands renommierteste und umfangreichste Studie zur Arbeitsplatzqualität.
Seit 2001 untersucht Gallup, wie hoch der Grad der emotionalen Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an ihren Arbeitgeber ist.
Und diese Bindung steht für Engagement und Motivation bei der Arbeit.
Es geht um die zentrale Frage: Wie wirkt sich die emotionale Mitarbeiterbindung auf die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aus. So sah es 2021 aus:
Emotionale Bindung
69 % der Beschäftigten
haben eine geringe emotionale Bindung an das Unternehmen und die Führungskräfte.
Das bedeutet für das Unternehmen:
- sie machen Dienst nach Vorschrift – sind nicht so richtig bei der Sache
- sie sind nicht zufrieden mit der Führungskraft und dem Arbeitsumfeld
- sie sind aktiv oder passiv auf Jobsuche
14 % der Beschäftigten
haben keine emotionale Bindung.
Das bedeutet für das Unternehmen:
- sie haben innerlich gekündigt
- sie fühlen sich mit ihren Bedürfnissen ignoriert
- sie sind vollkommen unzufrieden mit der Führungskraft und dem Arbeitsumfeld
- sie betonen täglich wie schlecht es ihnen geht
- sie reden schlecht über das Unternehmen und die Produkte
- sie können ihre Kollegen mit „runterziehen“
- sie sind aktiv auf Jobsuche
Die Rolle der Führungskraft
Führungskräfte haben einen großen Anteil an dieser emotionalen Bindung. Es lohnt sich - aus meiner Überzeugung - den Führungskräften „auf die Finger zu schauen“.
Und wenn es um Mitarbeiterbindung geht, geht es auch um die Qualität der Führungskräfte. Führungskräfte haben eine entscheidende Verantwortung und Funktion im Unternehmen. Sie bilden die Schnittstelle zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern.
Durch ihre Art der Führung motivieren oder demotivierten Vorgesetzte ihre Teams. Sie tragen so entscheidend zum Unternehmenserfolg bei.
Von Führungskräften wird erwartet, dass sie ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem unterschiedliche Stärken des Teams integriert werden. Dazu gehört Lernen voneinander sowie Vertrauen und Toleranz. Nur dann wollen Menschen tatsächlich mehr Verantwortung übernehmen.
Warum verlassen Menschen ein Unternehmen?
Der häufigste Grund für die Kündigung durch einen Arbeitnehmer ist das Verhalten der Führungskraft.
Das erwarten Mitarbeiter von einer Führungskraft:
- dass sie ihnen die Möglichkeit schafft, das zu tun, was jemand richtig gut kann
- dass sie verbindliche Entscheidungen trifft
- dass sie herausfordernde und abwechslungsreiche Tätigkeiten ermöglicht
- dass sie für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kollegen und Kolleginnen sorgt
- dass sie hinter den Unternehmenszielen/der Unternehmensphilosophie steht
So gut, so schön, die Theorie. Wie sieht es in der Realität in vielen Fällen aus?
Selbstbild und Fremdbild von Führungskräften
Jeder siebte Beschäftigte hat schon schlechte Führungskräfte erlebt und unter ihnen gelitten. Statt mit der Chefin oder dem Chef zu sprechen, gehen viele in die innere Kündigung oder beenden das Arbeitsverhältnis.
Ein Beispiel
Als Personalleiterin bei einem größeren, mittelständischen Unternehmen war ich für die Personalbeschaffung und die Personalentwicklung verantwortlich.
Das Unternehmen hatte eine ungesunde Altersstruktur. Die sollte durch die gezielte Suche nach jüngeren Ingenieuren verbessert werden.
Der Bewerbermarkt für unsere Branche war schwierig. Mit viel Aufwand konnte ich einige neue Mitarbeiter einstellen.
Aber schon nach kurzer Zeit erhielt ich unzufriedene Rückmeldung und einige der Neuen wollten kündigen.
Alle meine Gesprächspartner waren unzufrieden mit dem Führungsstil ihrer Chefs.
Bei mir schrillten alle Alarmglocken - denn jede Neu-Einstellung ist mit hohen Kosten verbunden. (ca. 1 Jahresgehalt - mehr dazu in meinem Blogartikel Fluktuation)
Mit diesen Argumenten konnte ich die Geschäftsführung überzeugen, das Führungsverhalten der betreffenden Vorgesetzten „unter die Lupe zu nehmen“.
Ich habe manches persönliche Gespräch geführt, um die ca. 30 Führungskräfte zur Teilnahme zu überzeugen.
Im Ergebnis haben wir 2 Führungskräfte aus der Linie genommen und als Experten in einer Stabsstelle untergebracht.
Einige andere Führungskräfte haben sich von ihren Führungsaufgaben verabschiedet. Sie sind wieder als Experten in ihre Bereiche zurückgekehrt.
Der Rest hat sich der Veränderung gestellt und sie wurden durch ein Coaching begleitet.
Im Ergebnis sind alle "Neuen" geblieben. Und wir hatten zufriedene und leistungsbereite Teams und Führungskräfte.
Führungsqualität
Seit vielen Jahren werden immer wieder Untersuchungen zur Führungsqualität in deutschen Unternehmen gemacht.
Was bei allen Studien auffällt, ist der Unterschied zwischen dem Selbstbild der Führungskräfte und der Wahrnehmung der Mitarbeiter - der berüchtigte blinde Fleck.
Die große Mehrheit der Führungskräfte glaubt, eine gute Führungskraft zu sein - das war auch meine Erfahrung bei den Gesprächen in dem oben geschilderten Projekt. Bisher hatte niemand Kritik an ihrem Führungsverhalten ausgesprochen.
Tatsächlich erhalten Führungskräfte von ihren direkten Mitarbeitern aber schlechte Noten.
Immerhin 97 % der befragten Führungskräfte, halten sich nach eigener Einschätzung für gute Führungskräfte.
Das sehen Beschäftige völlig anders:
69 % haben schon unter einer schlechten Führungskraft gelitten
immerhin 14% haben bereits daran gedacht, das Unternehmen aufgrund des direkten Vorgesetzten zu verlassen.
Ein paar Zahlen aus der Befragung von Führungskräften, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
Überzeugung der Führungskräfte | Einschätzung der Mitarbeiterenden | |
---|---|---|
97 % sind davon überzeugt, sie seien hilfreich, wenn es um Fehleranalysen geht | 60 % bestätigen diese Aussage | |
97 % sind überzeugt, sie würden die Leistungen der Mitarbeiter ausreichend anerkennen | 57 % sind derselben Meinung | |
| 56 % bestätigten das |
Schlechte Führungskräfte aus Sicht der Mitarbeitenden
Viele Beschäftigte beklagen sich über Vorgesetzte,
Menschen mit einer Führungsposition erhalten Macht - für viele der entscheidende Motivator.
Was passiert im Unternehmen?
Eine schlechte Führungskraft weiter wirken zu lassen, bedeutet für ein Unternehmen:
Das Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu hat 37.000 Bewertungen im Portal ausgewertet. Daraus ergibt sich, dass so ein Verhalten der Führungskraft das Arbeitsklima und die Leistungsbereitschaft verschlechtern - im schlimmsten Fall werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krank.
Chancen auf Veränderung
Freiwillig werden sich diese „besonderen“ Führungskräfte nicht verändern
- sie haben keinen Leidensdruck - Ihre Welt ist in Ordnung
Hat eine Abteilung oder ein Bereich hohe Fehlzeiten oder eine hohe Kündigungsquote, sollten alle Alarmglocken schrillen.
- Wie geht die Führungskraft mit ihrem Team um?
Das Gleiche gilt für hohe Ausschussraten oder Zunahme der Reklamationen.
In manchen Unternehmen gibt es Führungsleitlinien. Es reicht nicht aus, nur zu beschreiben, wie es idealerweise sein soll. Es muss genauso beschrieben werden, wie es nicht sein soll.
Leitlinien machen nur Sinn, wenn das Unternehmen bereit ist, Personen zu sanktionieren, die gegen die Leitlinien verstoßen.
Wie Führungskräfte tatsächlich agieren, sollte regelmäßig überprüft werden.
Was heißt "Gute Führung"
Gute Führung heißt nicht, den Mitarbeitenden über den Kopf zu streicheln, wenn ein Fehler passiert. Wenn es kuschelig und kumpelig wird, tut dies dem Unternehmen nicht gut.
Ich habe schon Abteilungen erlebt, wo als Erstes die Hausschuhe angezogen werden, bevor der Arbeitstag startet. Mitarbeitende, die ihr Büro als ihr Wohnzimmer bezeichnen, haben das Ziel des Unternehmens aus den Augen verloren.
Aus meiner Sicht sind klare Ansagen hilfreich für ein Team.
Jedes Teammitglied kennt die Erwartungen und Ziele. Dabei geht es nicht darum, Druck aufzubauen oder den Wadenbeißer herauszulassen - sondern es geht um Führung, die Grenzen zieht und durchgreift, wenn es erforderlich ist.
Dass es dabei fair, transparent und empathisch zugeht, versteht sich von selbst.
Kein Mensch startet seine Führungskarriere mit dem Vorsatz, eine schlechte Führungskraft zu sein.
Besonders wenn jemand glaubt eine gute Führungskraft zu sein, ist es schwer zu akzeptieren, dass das eigene Verhalten nicht passend ist.
Es stellt sich auch die Frage: Welches Weltbild oder welche Werte hat eine Führungskraft?
Es gibt Menschen, die versuchen ihre Ziele mit allen Mitteln zu erreichen. Dass dabei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter auf der Strecke bleiben, interessiert nicht. Ein unvermeidbarer Kollateralschaden.
Es gibt die Kontrollfreaks, die jedes Detail kennen und wissen wollen - sie haben keinerlei Vertrauen in ihr Team.
Manche glauben, sie sind eine besonders gute Führungskraft, wenn sie sich intensiv um die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeitenden kümmern. Wenn allerdings eine Klärung nötig ist oder Fragen auftreten, ist sie nicht zu finden.
Andere wiederum wollen mit Erfolgen glänzen und verheimlichen bewusst, dass es eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter war, mit dieser tollen Idee.
Oder die Führungskraft, die alles besser weiß und nur eigene Ideen anerkennt - anderen gar nicht zuhört.
Führungskräfte, die glauben, jeder in der Welt will ihm Böses. Das macht sie latent aggressiv und schüchtert andere Menschen vielleicht sogar ein.
Schlechte Führungskräfte erkennen
Wie schon erwähnt gibt es Kennzahlen, die erste Auffälligkeiten zeigen können.
- Viele Krankentage der Mitarbeiter, hohe Zahl an Reklamationen oder Ausschuss.
- Über proportionale Kündigungen innerhalb des Bereiches
- Beschwerden von Mitarbeitenden oder auch Kunden
Außerdem gibt es die Möglichkeit eines 360-Grad-Feedbacks für die Führungskräfte, um Selbstbild und Fremdbild miteinander abzugleichen.
Was kann das Unternehmen tun?
Wenn die Defizite erkannt sind, kann ein gezieltes Coaching oder Training folgen. Das macht aber nur dann Sinn, wenn eine Person wirklich an sich arbeiten und sich verändern möchte.
Gibt es alternative Aufgaben im Unternehmen, wo die Stärken der Person gewinnbringend für das Unternehmen genutzt werden können? - Auch das geht nur im gegenseitigen Verständnis
Die letzte Konsequenz: Die Trennung - auch wenn hier Geld für eine Abfindung fließt - am Ende wird es durch die Stimmung und Leistung im Team wieder wettgemacht.
Gute Führungskräfte - das fängt - genau genommen - schon bei der Auswahl und Einstellung der Führungskraft an.
Nur wenn ein Unternehmen klare und verbindliche Anforderungen an eine Führungskraft hat, kann es die Qualität der Führung prüfen und ggf. anpassen.
Das erfordert aktive Arbeit an der Führungskultur im Unternehmen.
Dazu gehört auch der konsequente Umgang mit „schlechten“ Führungskräften.
Wer die Führungskultur eines Unternehmens nicht lebt - ist an der falschen Stelle.
Diese Arbeit an der Führungskultur ist eine Investition in die Zukunft eines Unternehmens.
Motivierte und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ein Garant für ein erfolgreiches Unternehmen.
Mitarbeiterbindung ist auch für Sie ein wichtiges Thema? Lassen Sie uns unverbindlich miteinander sprechen