Die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt haben sich verschoben. Unternehmen haben nicht mehr die Trümpfe in der Hand.
Heute bewerben sich Unternehmen bei Talenten, nicht Talente um Jobs.
Ein guter Bewerbungsprozess ist daher umso wichtiger.
Seit 2002 beschäftige ich mich mit dem Thema Fachkräftemangel. Über diesen Zeitraum hat sich das Thema weiter entwickelt.
Alle Welt spricht über den zunehmende Fachkräftemangel. Wie wichtig es ist, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als größten Schatz des Unternehmens zu behandeln.
Geändert hat sich wenig. Gerade auch bei den Bewerbungsprozessen.
Mittlerweile stellt sich die Situation so dar: Einer großen Menge an freien Stellen stehen wenige qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten gegenüber.
Jobsuchende springen während des Bewerbungsprozesses ab?
Diese Situation kann sich kein Unternehmen mehr leisten? Die Realität sieht anders aus.
Gemäß einer Umfrage* - hat jedes befragte Unternehmen (90 %) 2022 die Erfahrung gemacht, dass Bewerber während des laufenden Bewerbungsprozesses abspringen.
(37 %) der Personalverantwortlichen geben an, dass in den letzten zwölf Monaten gelegentlich Kandidatinnen und Kandidaten abgesagt haben. 24 % geben an, dass dies sogar häufig bis sehr häufig vorgekommen ist.
Diese Gründe führen zu Absagen:
*Für die forsa-Studie im Auftrag von onlyfy by XING wurden in Deutschland insgesamt
500 Personalverantwortliche in Unternehmen ab 50 Beschäftigten telefonisch befragt.
Fragwürdige Bewerbungsprozesse - Beispiele aus meiner Praxis:
Ein Bewerbungsgespräch, das mehr als drei Stunden dauert - ist ein Stress-Test. Aber ist es auch ein Erkenntnisgewinn?
Wenn Kandidaten diesen Prozess nicht “überstehen” und vorher aussteigen - wer ist dann das Problem? Der Prozess oder die Kandidaten?
Brauche ich - um die richtige Kandidatin oder der richtigen Kandidaten auszuwählen - wirklich ein “Bewerbungsgespräch” über drei Stunden?
Mit drei Personen aus dem Unternehmen?(Neun Stunden wertvoller Arbeitszeit)
Was beweise ich der Bewerberin oder dem Bewerber?
Arbeitgeberbewertungen - vorher informieren und dann bewerben
Bevor meine Coachee entscheiden, ob sie sich auf eine ausgeschriebene Stelle bewerben - suchen sie nach Informationen über den zukünftigen Arbeitgeber. Schließlich geht es darum - passt der Job und das Unternehmen zu mir.
Neben der Homepage sind Arbeitgeberbewertungen ein wichtiges K.-o.-Kriterium.
Wenn ein Arbeitgeber bei Kununu einen durchschnittlichen Score* unter 3 erhält - schrillen alle Alarmglocken. Wird der Arbeitgeber dazu noch nur von 20 % der Angestellten weiterempfohlen wird - da überlegt jeder Arbeitssuchende dreimal, ob sich eine Bewerbung überhaupt lohnt. - Was mich wundert, wie wenig diese schlechten Bewertungen im Unternehmen als Chance für Veränderung gesehen werden.
* Kununu-Score: 4-5 = sehr gut; 3-4 = gut, 2-3 = befriedigend, 1-2 genügend
Mehr desselben - Stellenanzeigen erscheinen regelmäßig immer wieder
Jobsuchende haben ein gutes „Auge“ für immer wieder die gleichen Anzeigen in den einschlägigen Jobbörsen.
Diese Fragen drängen sich dabei auf:
Wie man Online-Assessments nicht einsetzen sollte
Noch vor dem persönlichen Kennenlernen erhält die Bewerberin oder der Bewerber den Link zu einem Online-Assessment. In diesem Assessment sollen dann z.B. Fragen beantwortet werden, wie diese:
Was genau hat das mit der Eignung für einen Job zu tun?
Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie auf der Jobsuche mit ähnlichen Fragen wie diesen konfrontiert werden:
Auch wenn ein möglicher Arbeitgeber die Antworten nicht kennt, ist es gefühlt wie ein totales "nackt" machen?
Und wenn der Arbeitgeber die Antworten kennt? - Möchten Sie im Vorstellungsgespräch mit fremden Menschen sprechen, die so viel von Ihnen wissen?
Dann doch lieber weiter nach einem Job suchen
Der Bewerbungsprozess - Dauer und Ablauf im Unternehmen
Bis heute - trotz der geänderten Umstände - lassen sich viele Unternehmen immer noch sehr viel Zeit, bis eine Bewerberin oder ein Bewerber zum Gespräch eingeladen wird - sei es online oder live.
Die Dauer des Bewerbungsprozesses ist ein wichtiger Indikator für Bewerber. Wer sich viel Zeit lässt, zeigt wenig Wertschätzung und Interesse. Das kann schon zu ersten Absagen führen.
Standardisierte Eingangsbestätigungen - mit einem persönlichen Text - sind ein gutes erstes Feedback. Danach sollte es zügig weitergehen.
Es geht nicht darum, welcher Prozess für das Unternehmen optimal ist, sondern wie kann ein Unternehmen im Bewerbungsprozess überzeugen.
Klare Vorgaben für den Ablauf des Prozesses. z.B.
- nach einer Woche findet ein erstes Telefon-Interview mit dem Bewerbenden statt.
- am Tag nach dem Telefonat erhält der Bewerber eine Rückmeldung und - je nachdem - eine weitere Einladung zu einem persönlichen Gespräch.
- Dieser Termin liegt maximal eine Woche nach dem Online-Interview.
- Auch die Absagen an Bewerbende erfolgen innerhalb der ersten Woche nach Bewerbungseingang bzw. Telefon-Interview.
Intern
Welche Personen sind an der Entscheidung beteiligt? Wer sind die Vertretungen, falls jemand nicht dabei sein kann.
Durch welche Methoden möchte das Unternehmen sicherstellen,
Dabei sollten Arbeitgeber auf valide, berufsbezogene und erfolgreiche Instrumente setzen, wie z. B. strukturierte Interviews, Arbeitsproben und wissenschaftlich fundierte Assessments.
So bitte nicht:
Wenn der zukünftige Chef etwas "genervt" auf Fragen reagiert und sie kaum beantworten kann oder will? - So baut niemand Vertrauen auf.
Im Anschluss an das Vorstellungsgespräch soll (unangekündigt) eine Aufgabe erfüllt werden.
Das hat nichts mit Augenhöhe zu tun. In einem fairen Umgang miteinander weiß die Bewerberin oder der Bewerber, was auf sie oder ihn zukommt.
In diesem Fall taucht auf der anderen Seite die Frage auf:
Wer weiß, was sie mir im Vorfeld noch alles nicht mitteilen?
Eine Woche nach dem Vorstellungsgespräch gibt immer noch keine Reaktion - dann sagt der misstrauisch gewordene Jobsuchende lieber ab oder nimmt ein anderes Angebot an.
Ziel des Bewerbungsprozesses: die richtige Person am richtigen Arbeitsplatz
Abschluss des Bewerbungsprozesses
Der Bewerbungsprozess ist abgeschlossen,
- wenn die richtige Person gefunden ist
- sie ihren Arbeitsvertrag unterschrieben hat
- am ersten Tag am neuen Arbeitsplatz erscheint.
Auch das ist mir in meiner Zeit als Personalleiterin passiert. Der neue Arbeitsplatz ist eingerichtet, der Firmenwagen geleast, der Blumenstrauß gekauft - wer nicht kommt - ist der neue Mitarbeiter.
Schade eigentlich - jetzt geht alles von vorn los.
Es kann also Sinn machen, den Kontakt zur „zweiten Wahl“ so zu gestalten, dass nicht alles wieder auf Anfang gesetzt werden muss.
Das erwarten Jobsuchende vom Bewerbungsprozess
Der Arbeitsmarkt 2023 ist anders
Der Arbeitsmarkt hat sich nicht erst durch Corona gedreht. Wer heute auf Jobsuche ist, weiß sehr genau, was sie oder er kann und will.
Die Jobsuchenden begegnen Arbeitgebern mit neuem Selbstbewusstsein und klaren Vorstellungen von Work-Life-Balance. Sie haben keine Hemmungen, ein Jobangebot auszuschlagen, wenn nicht alle Bedingungen stimmig sind.
Umso wichtiger ist es für Arbeitgeber schon im Bewerbungsprozess einen guten Eindruck zu machen. Denn bekanntermaßen gibt es keine zweite Chance für einen ersten Eindruck.
Hier verschenken - aus meiner Erfahrung - viele Unternehmen Chancen, um gute und geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen.
Es ist nicht eine Frage einer guten Software - die sicher hilfreich für das Bewerbermanagement sein kann.
Heute geht es darum, dass die Menschen im Unternehmen von Beginn an mit einem möglichen neuen Kollegen wertschätzend umgehen.
Denn neben allen wissenschaftlichen Betrachtungen und einem optimierten Bewerbungsprozess - ist es am Ende das Bauchgefühl auf beiden Seiten, dass den letzten Ausschlag gibt.
Arbeitsatmosphäre und Unternehmenskultur, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sind für die Mehrheit der Beschäftigen ausschlaggebend, um in einem Unternehmen zu bleiben.
Das Gehalt ist nur für etwa die Hälfte einer der wichtigen Bleibegründe.
In den realen Bewerbungsgesprächen dagegen geht es hauptsächlich um Arbeitsaufgaben, berufliche Perspektiven und Gehalt. Was das Besondere des Arbeitgebers ausmacht, warum jemand dort gern arbeitet - scheint vielen Unternehmen nicht wichtig zu sein. Für die Jobsuchenden kann es der entscheidende Unterschied sein.
Phrasen und Beschönigungen lassen sich schnell entlarven.
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